Street Art in Dresdens Äußerer Neustadt

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Wenn Wände Bände sprechen – Street Art an Häusermauern in Dresdens Szeneviertel ‚Äußere Neustadt‘ (Dresden-Neustadt, 03/2019).

Wie ich in die Neustadt kam …

Mein Besuch in Dresden war zwar überwiegend an eine zweitägige Geschäftsveranstaltung gebunden, jedoch hinterließen meine Freizeitaktivitäten bei diesem Aufenthalt die nachhaltigsten Eindrücke an diese Stadt. Um möglichst viel Freizeit zur Verfügung zu haben, bin ich 2,5 Tage früher angereist. Bevor ich jetzt aber zu den Details meiner Zeit in der Dresdner Neustadt schreite, gebe ich einen Einblick in die Geschichte dieses besonderen Stadtteils.

Von der Antonstadt zum Szenetreff

Dresdens Stadtviertel Äußere Neustadt umfasst das Areal außerhalb der Inneren Neustadt, welche einst das ehemalige Altendresden bildete. Früher war die Äußere Neustadt als Antonstadt (nach dem sächsischen König Anton) bekannt. Auf einer Fläche von 1,14 km2 wird die Äußere Neustadt im Norden von der Albertstadt, im Osten von der Radeberger Stadt, im Süden durch die Innere Neustadt und im Westen durch die Leipziger Vorstadt begrenzt.

Zur Geschichte der Äußeren Neustadt

Eine der ältesten Straßen der Äußeren Neustadt, die Louisenstraße, wurde 1839 nach Prinzessin Louise von Lucca benannt, dieser Zeit die junge Gemahlin des vormaligen Kronprinzen Maximilian von Sachsen. Zu den ersten Betrieben des Stadtteils gehörten eine Gießerei sowie eine Zichorienfabrik.

1823 errichteten die Geschäftsleute Gottfried Jordan und August Friedrich Timaeus, die Chocolade- und Cichorienfabrik Jordan & Timaeus als eines der damals bedeutsamsten Unternehmen. Ende des 19. Jhd. wurde das Viertel intensiv bebaut, wobei viele Gebäude entstanden, die heutzutage maßgeblich seinen Charakter beeinflussen. Damit gehört es zu Deutschlands Stadtgebieten mit geschlossener Bebauung im „Gründerzeitstil“.

Exkurs: Gründerzeitbebauung

In den 1850er Jahren verbreitete sich der Historismus zunehmend in Mitteleuropa. Zu seinen wesentlichen Funktionen gehörte die Repräsentation des zu Wohlstand gekommenen Bürgertums (Bourgeoisie). Die Gründerzeit hatte den Mittelstand zu etwas mehr Reichtum verholfen. Die Architektur des Historismus wird oftmals als Gründerzeitstil bzw. -architektur bezeichnet.


Street Art Szene Dresden – Ein Überblick

Wer es nicht in persona nach Dresden schafft, kann sich auf street-art-dresden.de einen Überblick über die hiesige Street Art Szene verschaffen. Im Bilderarchiv der Homepage wurden Fotografien von Murals und anderen Werken zu einer Sammlung von über 5000 Bildern zusammengetragen und über google photos zur Ansicht zur Verfügung gestellt. Aus den Jahren von 2009 bis 2016 scheint so ziemlich alles dabei zu sein, was damals in Dresden an die Wand gemalt oder gesprüht wurde.

Wie ich in die Neustadt kam …

Über couchsurfing.com habe ich einen heimischen Gastgeber im Stadtteil Dresden-Neustadt ausfindig machen können, bei dem ich an 5 Tagen übernachten konnte. Über den Hauptbahnhof Dresden erreiche ich den Stadtteil Bahnhof Dresden-Neustadt mühelos. Mein Gastgeber holt mich netterweise mit dem Auto direkt dort ab, obwohl es nicht besonders weit zu seiner Wohnung ist. Er selbst hat sich als Fotograf selbstständig gemacht und lebt schon seit längerem in der Äußeren Dresdner Neustadt. Seine berufliche Königsdisziplin ist die Darstellung Architektonischer Werke und zu seinen generell präferierten Objekten gehören im Besonderen alte verfallene und verlassene Bauten (sog. abandoned mansions). Hier, über seine Homepage, bekommt man einen ersten Überblick zu seiner Arbeit.

Abgeschweift: Gespenster im Treppenhaus

Auf dem zur Wohnung meines Gastgebers ergibt sich ein gespenstischer Anblick. Ein von Trockenstress gezeichneter (Geldbaum (Crassula ovata), auch Pfennigbaum genannt), Schatten seiner selbst, verwoben in Spinnweben, auf einer Fensterbank stehend.

Ein Mann, ein Wort, eine Tour

Sowie ich gegenüber meinem Gastgeber nochmals von meinem Interesse an Street Art erzählt hatte, schlug er schon eine erste Tour durch das Viertel vor. Bei unserem Rundgang zeigt er mir die Kunsthofpassage Dresden in der Görlitzer Straße 21-25, ein petrol-farbenes (eine dunkle Nuance des Cyan-Blau) und doch kunterbuntes Haus. Wir kommen an der Scheune vorbei, einer scheinbar angesagten Veranstaltungslocation. Gleich daneben, an der Ecke ‚Alaunstraße’/’Louisenstraße‘ ist der Nachtclub ‚Katys Garage‘, wo zu Füßen häuserhoher Murals gefeiert wird (siehe Mural auf Bild links nachstehend).

Die Kunsthofpassage in der Dresdner Neustadt ist ein Komplex aus fünf kleineren Höfen, der aus der Idee heraus entstand die ungenutzten Gebäude mit einem neuen Nutzungskonzept wieder zu beleben. Es wurde 2001 komplett fertiggestellt. Die Kunsthöfe zwischen Alaunstraße 70 und Görlitzer Str. 25 verbinden die Lebensbereiche Wohnen, Arbeiten und Freizeit miteinander. Jeder der Höfe hat sein individuelles Thema, das sich in der Ausgestaltung seiner Fassaden wiederfindet. 

Die Fassade der Kunsthofpassage Dresden in der Görlitzer Straße 21-25 in Dresden
(Äußere Dresdner Neustadt, 03/2020).

Ein Schrank zum Tauschen

An der Martin-Luther-Kirche erwartet uns ein regenbogenfarbener Metallschrank. Ein sog. Tauschschrank. Hier können gut erhaltene, nicht mehr benötigte Kleidung, Bücher, Schuhe, Geschirr oder Spielsachen zum Mitnehmen angeboten werden. Als er am 22.01.2019 aufgestellt wurde, war er der erste legale seiner Art in Dresden. Gefördert wird er vom Stadtbezirksamt Neustadt. Ferner stellte die Stadtreinigung Dresden GmbH stellte den Schrank kostenfrei zur Verfügung während die Jugendlichen des Stadtteils zusammen mit den Streetworkern der Mobilen Jugendarbeit der Diakonie Dresden für das farbliche Finish sorgten. Hier erfährt man mehr zum Tauschschrank am Martin-Luther-Platz.

Vom Martin-Luther-Platz aus sind es nur noch wenige Hundert Meter zur Elbe. Und von dort aus werde ich in zwei Tagen zu meinem Geschäftstermin fahren. Vorbei am Rosengarten, am grünen Bogenschützen, am Elbufer entlang in Richtung Altstadt bis zur Marienbrücke, die ich an der Yenidze im Hintergrund erkenne. Letztere ist eine ehemalige, im Stil einer Moschee erbauten, Zigarettenfabrik am östlichen Rand des Dresdner Stadtteils Friedrichstadt. Heutzutage beherbergt sie Büro- und Gewerbeflächen.

Street Art meets Art Nouveau

Als wir unseren Rund in Richtung fortsetzen, eröffnet sich uns ein schöner Blick in eine Passage zu einem Hinterhof. In der Äußeren Dresdner Neustadt gehen Art Nouveau (zu deutsch: Jugendstil) und Sprühdose anscheinend Hand in Hand.

Hier scheint der namhafte tschechische Künstler und einer der Begründer des Art Nouveau Alfons Mucha seine Street Art-Renaissance zu erleben. Hätte sich er sich damals wohl selbst an Sprühdosen versucht, wenn es sie zu seiner Zeit schon gegeben hätte? Eine berechtigte Frage angesichts der „Plakativität“ seiner Werke. Die Jugendstil-Sprühwerke entstammen den Dosen und Köpfen des Dresdner Street Art Kollektiv ‚Bandits Dresden‘. Hierbei handelt es sich um einen Zusammenschluss mehrerer Künstler, der ursprünglich 1994 gegründet wurde und sich seitdem kontinuierlich in seiner Konstellation verändert hat.

Hier haben sich die Bandits Dresden verkünstelt: Das Dresdner Street Art Kollektiv ‚Bandits Dresden‘ hat sich im Jugendstil erprobt (Dresden, 03/2019).

Alternativ für die Jugend!

Auf unserem Weg durch die Äußere Neustadt Dresdens gehen wir schließlich nach Nord-Westen, über die Königsbrücker Straße, an der Theaterruine St. Pauli vorbei, bis zum AZ Conni, das bereits im Nachbarsviertel ‚Leipziger Vorstadt‘ liegt. Das AZ Conni ist schon an seiner bunt-künstlerischen Hausfassade erkennbar. Es wurde 1991 als sozio-kulturelles Zentrum zur Förderung Jugendlicher gegründet. Das Projekt fördert alternativdenkende (von der gesellschaftlichen Mehrheit geistig unabhängige) junge Menschen, die kulturell aktiv werden möchten. Im Verein arbeiten sowohl ehrenamtliche als auch hauptamtliche MitarbeiterInnen, die Jugendarbeit leisten und darüber hinaus Kulturangebote schaffen. Beispielsweise werden Veranstaltungen wie Konzerte und Lesungen initiiert und im außerschulischen Rahmen politische Bildungsarbeit geleistet. Darüber hinaus gibt es seit 1993 den Kinderladen Conni e.V., seit dem Jahr 2000 den politischen Buchladen ‚König Kurt‘, ein Infocafé sowie ein Kontaktcafé, das Geflüchtete bei der Wohnungssuche unterstützt.

Das Alternative Zentrum Conni ‚AZ Conni‚ in der Rudolf-Leonhard-Straße 39 in der Leipziger Vorstadt in Dresden (Dresden, 03/2019).

Nach mehreren Stunden Rundgang beschließen wir die Retour in die Äußere Neustadt und den Abend gemütlich ausklingen zu lassen. Auch auf dem Weg zurück zur Wohnung meines Gastgebers begegnen uns noch einige Murals und kleinere Wandmalereien.


Quellen & weitere Infos:

  • wikipedia.org: Artikel zur Äußeren Neustadt von Dresden
  • dresden-und-sachsen.de: Überblick und Detail-Informationen zur Äußeren Dresdner Neustadt
  • merian.de: Merian Reiseführer ‚Äußere Neustadt‘ – „Die Neustadt in Dresden von A bis Z erleben“, Tinka Dippel, Ausgabe Dresden 12/2013
  • street-art-dresden.de: Bildarchiv zu Street Art in Dresden auf google photos
  • yenidze.eu: Homepage der Yenidze in Dresden
  • neustadt-ticker.de: Tauschschrank? Funktioniert!, Anton Launer, .
  • facebook.com/BanditsDresden: Facebook-Seite des Dresdner Street Art Kollektivs ‚Bandits Dresden‘.
  • newdef.de: Homepage des Labels ‚NEWDEF‘, Überblick zur Entstehung und Entwicklung des Street Art Kollektivs ‚Bandits Dresden‘, Status: 03.04.2020.
  • dresden.de: Zum Wegwerfen zu schade? Ab in den Tauschschrank!, Stadtverwaltung Dresden, 22.01.2019.

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